Guatemala on fire

Volcán Acatenango und das Feuerwerk der Extraklasse

“Bitte lächeln”… zack… Profilbild im Kasten:

Das mit dem Lächeln wollte nicht so ganz gelingen. Damals nicht, als José für die Bergführer-Homepage abgelichtet wurde und auch während unserer zweitägigen Vulkantour nur so selten und kurzzeitig, dass ich eine Zeitrafferaufnahme dieses extrem außergewöhnlichen Momentes der Gesichtsregung hätte machen müssen. Ich glaube, einmal hat er über seinen eigenen Witz (den wir nicht verstanden haben) zumindest ansatzweise gelacht. Aber es war dieses typische Bösewicht-Lachen, bei dem sonst keiner mitlacht – so wie Dr. Evil in Austin Powers.

Wer jetzt denkt, “schaut ja eh aus wie ein Ex-Knacki”, hat sogar recht. Das Sträflingsbild haben wir aber nicht zu Gesicht bekommen, schaut aber sicher ähnlich aus und liegt in den Vereinigten Staaten. Illegale Einwanderung. Schweres Verbrechen, erst recht unter der aktuellen Regierung.

Sollte man mit diesem Kerl einen Ausflug unternehmen? Absolut!! Denn besagter Kauz hat uns zu unserem bisher (!!!) faszinierendsten und außergewöhnlichsten Erlebnis überhaupt verholfen. Gäbe es den Travel-Oskar – José wäre nominiert!

Es gibt nicht allzu viele aktuell aktive Vulkane auf der Erde und noch weniger Vulkane, die so aktiv sind, dass sie permanent Feuer spucken. Umso seltener sind da natürlich Exemplare, an die man dann auch noch nahe herankommt, ohne gegrillt zu werden. Einer davon steht in Guatemala und macht seinem Namen alle Ehre:

Volcán de Fuego – Feuervulkan

Wie es der Zufall wollte, waren wir ganz in der Nähe… und zwar so nahe, dass wir ihm vom Hostelzimmer in Antigua aus bei der Arbeit zusehen konnten.

Weil ich schon seit meiner Kindheit im Herzen ein kleiner Hobbyvulkanologe bin und auch Antje nach ihrer Zeit auf der Insel Reunion eine besondere Beziehung zu den Feuerspuckern hat, war klar: Wir müssen da rauf!

Normalerweise neigen wir bei solchen Unternehmungen ja zur Do-it-yourself-Variante, aber nach einem guten Tipp von Flavia und ihrem Freund, dem Schweizer Pärchen, das wir in El Salvador kennengelernt hatten, buchten wir ausnahmsweise mal wieder eine Tour. Das gute an dem Tipp: Wir umgingen die teuren Agencys und nahmen direkten Kontakt zur lokalen Bergführer-Vereinigung auf. So sparten wir Geld, unterstützten die Einheimischen und mussten weder Campingausrüstung noch Essen den Berg hochschleppen.

Möge das Feuerwerk beginnen!! Wir freuten uns wie kleine Kinder… José auch… innerlich… glaube ich:

Hier der Plan:

Durch den Bergregenwald 1200m hochsteigen zum 3600m hoch gelegenen Basecamp des Acatenangos, dem höchsten Vulkan der Region, aus dessen Flanke der Volcán de Fuego emporgewachsen ist. Dort im Zelt übernachten mit Blick auf den 2,5km entfernten Fuego, um dann früh morgens vom Gipfel des Acatenangos (3976m) zum Sonnenaufgang den perfekten Blick zum Fuego und die Umgebung zu genießen. Das hatten wir eigentlich gebucht und bezahlt!

Vergesst den Plan – es kam alles ganz anders! 😉

Bis zum Basecamp folgten wir noch dem angedachten Ablauf:

Auf der Rückseite des Berges hoch durch den Regenwald…

Anmerkung zum Bild oben: Ungefähr genau so häufig wie José auf Bildern lacht, hat Antje auf Bildern die Augen auf!

Im hübsch gelegenen Basecamp angekommen:

Ohne Holz kein Feuer, also erst mal Axt in die Hand und Feuerholz machen. Während ich nach ca. 10 Hieben in der Höhe schon Sterne und Feen über mir sah, hackte Jose wie ein Besessener den halben Wald kurz und klein. Was schon fast nach Aggressionsbewältigung aussah, brachte uns Holz für die ganze lange Nacht.

Während des Aufstieges zum Zeltlager hörten wir hin und wieder ein dumpfes Grollen. Was für uns nach einem nahenden Gewitter klang, waren in Wirklichkeit Eruptionen. Leider war uns die Sicht von Wolken und Nebelschwaden verdeckt – wir mussten uns gedulden. Geduld ist ja bekanntlich meine größte Stärke (nicht). Und in diesem grauenvollen Moment der Warterei kam mir plötzlich der Geistesblitz:

Warum bis zum Sonnenaufgang warten und nicht gleich zum Untergang zur Spitze rennen? Außerdem hatte uns Jose von Sonnenaufgangstouren in unmittelbarer Nähe des Feuerspuckers erzählt (die leider deutlich teurer waren als unsere Tour). Ginge sich doch theoretisch beides aus für uns?! José mussten wir gar nicht lange überreden. Unter der Hand bekam er von uns ein zweites Trinkgeld und schon war das ultimative Vulkan-Erlebnis eingetütet!

Schnell das Abendessen reingeschlungen, wieder rein in die Wanderschuhe und im Eiltempo hoch auf den Acatenango:

Der Ausblick runter ins Tal von Antigua war schon beeindruckend…

Die Wolken sackten ab und wurden vom extrem starken Wind weggeblasen. Affenkalt war’s hier oben auf knapp 4000m auch, aber der Blick quer über den Acatenango-Krater rüber zum benachbarten Fuego war atemberaubend:

 

Ab und an hat er still und leise vor sich hergepafft. Wenn das Tageslicht verschwindet und sich im Schlot genügend Druck angestaut hat, zeigt der Vulkan sein feuriges Gesicht. Die meiste Zeit verhält er sich ruhig, aber ca. alle 30 Minuten zündet er das Feuerwerk. Wir waren gerade am Rande des Kraters, bereits auf dem Rückweg ins Lager, als der Donnerschlag uns zusammenzucken und umdrehen ließ:

Feuer frei!

Und es ging so weiter:

Je nachdem wie der Wind gerade bläst, fliegen die Lavafetzen nach allen Richtungen den steilen Hang hinunter. Im Hintergrund über dem Pazifik hingen Gewitterwolken und schickten Blitze quer durch den Himmel. Lässt sich schwer in Worte fassen, wie unglaublich dieses Erlebnis tatsächlich war!! Wieder zurück im Basislager saßen wir bis spät in die Nacht mit funkelnden Augen und offenem Mund am Lagerfeuer und starrten gebannt rüber zur Wahnsinns-Show des Feuerteufels:

Jede einzelne Eruption ist einzigartig. Keine gleicht der vorherigen oder nächsten. Deshalb kann man auch gar nicht aufhören hinzuschauen. Irgendwann mussten wir dann aber doch ins Bett. Gerade als wir uns in die Schlafsäcke verzogen hatten und noch die richtige Schlafposition am Suchen waren, passierte es: RUMMSS!! Als hätte neben uns einer die Kanone abgefeuert. Ein Donnerschlag, wie kein anderer zuvor. Als wir die Köpfe aus dem Zelt streckten, sahen wir nur noch, wie zu allen Seiten des Vulkans riesige Lavabomben die Hänge bis ganz weit nach unten runterrasten. So schaut’s aus, wenn der Fuego Verdauungsprobleme hat!

Der Wecker stand auf 3:30 Uhr. Wer zum Sonnenaufgang am Sattel unweit des Fuego-Kraters stehen will, muss früh aufstehen. Der Weg und Standort des Ziels schaut ungefähr so aus:

Kurz nachdem der Wecker uns vergeblich versucht hat zu wecken, bekam er Unterstützung: RUUUUMMMMSS #2!! Die nächste größere Verstopfung wurde mit einer großen Explosion beendet. Exakt fünf Stunden nach der Letzten. Wieder glühte der ganze Berg. Da sollten wir jetzt also hoch? Wird schon wissen was er macht, der Jose!

Kopflampen an, erst runter, dann wieder hoch, zusammen mit einigen anderen Sonnenaufgangsaspiranten. Im rechten Hintergrund – die Silhouette des Volcán de Agua und über Antjes Kopf die Lichter der Dreimillionen-Metropole und Hauptstadt des Landes – Guatemala-City:

Da standen wir nun, auf 3600m im eisigen Wind… unter uns – die Lichter der Stadt… hoch über uns – die Lichter der Sterne… unmittelbar vor uns – das Licht des Höllenfeuers… um uns herum – die verrücktesten Farben des Sonnenaufgangs… am Horizont – das Glitzern des Pazifiks:

Müde, etwas ausgekühlt und hungrig, aber komplett geflasht mit einem breiten Grinsen und um ein unvergessliches Erlebnis reicher, machten wir uns langsam auf den Weg zurück ins Basislager – begleitet von weiteren Eruptionen:

Zum Abschied hatte der Fuego noch eine Verstopfungs-Explosion für uns parat. Kurz auf die Uhr geschaut: Exakt fünf Stunden her seit der letzten. Kann man fast die Uhr danach stellen: RRRRUUUUMMS #3!! Nur dieses Mal lagen wir nicht im Zelt und es war Tag:

Erst sieht man, dass der ganze Gipfel bebt, dann steigt der Atompilz auf, als nächstes hört man den Knall und spürt sogar die Druckwelle im Gesicht, 2,5km entfernt. Überall schlagen die Brocken ein um den Gipfelbereich. Einige schätzungsweise so groß wie ein Kleiderschrank! Ganz großes Kino!! Im Vergleich zu dem, was am 1. Februar diesen Jahres (Lavaströme, pyroklastische Ströme, 7km hohe Aschewolke) los war da oben, aber nur ein kleiner Furz! 😉

Und wenn der Volcán de Fuego mal etwas länger Verstopfung hat und deshalb so richtig schlecht gelaunt ist, schaut’s so aus (Archivbild von Wikipedia aus dem Jahr 1974):

Da will man dann allerdings nicht oben stehen, egal wie schön der Sonnenaufgang sein mag! 😉

Den Fuego in Action gibt’s auch HIER in unserem Lateinamerika-Video zu sehen.

Danke José für’s spontane upgraden unserer Wahnsinns-Tour und danke Volcán de Fuego für den bekömmlichen Stuhlgang, als wir in deiner Nähe waren! Werden wir euch nie vergessen!!


Großes Kino erwartet uns auch da, wo wir jetzt gerade sind: In Nepal!

Leider sind wir (noch) nicht bereit, weil beide krank. Liegen die nächsten Tage erst einmal faul im Zimmer rum und hoffen auf Wunderheilung. 😉

Grüße aus Kathmandu

Antje und Stephan

 

 

 

 

 

5 Gedanken zu „Guatemala on fire

  1. Kopf hoch ihr beiden! Nach dem fantastischen Erlebnis kann euch selbst eine Erkrankung nicht aus der Bahn werfen! Gönnt euch mal ne Pause und tankt Kraft für weitere Highlights, die sicherlich auf euch warten!

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